Jean-Claude Juncker au sujet du cadre financier pluriannuel 2014-2020

Tatjana Konieczny: Herr Juncker, wie wahrscheinlich ist es, dass beim heute beginnenden Gipfel eine Einigung zum mehrjährigen EU-Haushalt zustande kommen wird?

Jean-Claude Juncker: Es ist sehr wichtig, dass es bei diesem Gipfel zu einer Einigung kommt. Ich weiß aus leidvoller Erfahrung, weil ich die Verhandlungen zum bisher letzten mehrjährigen Finanzrahmen 2005 geführt habe, dass europäische Erwartungen und nationale Vorbehalte in dieser Angelegenheit aufeinanderstoßen. Doch es gibt für uns nichts zu gewinnen, wenn wir uns dieses Mal nicht einigen. Man muss sich der Außenwirkung einer Nicht-Einigung bewusst sein. Denn für die Finanzmärkte ist jeder europäische Dissens ein Argument mehr dafür, in Bezug auf Europa negativ zu reagieren. Deshalb ist es absolut notwendig, dass wir eine Einigung erzielen. Ich bin zudem der Meinung, dass sich die Positionen der Mitgliedsstaaten in den vergangenen Tagen soweit angenähert haben, dass es möglich sein müsste - wenn jeder seine nationalen Interessen etwas zurückstellt - zu einem Konsens zu kommen.

Tatjana Konieczny: Der Haushaltsvorschlag von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vom vergangenen November ist heftig umstritten, da er hohe Kürzungen beinhaltet. Nun hat Van Rompuy angekündigt, heute einen neuen Vorschlag vorlegen zu wollen. Dieser soll noch weitere Kürzungen vorsehen. Wären Sie damit einverstanden?

Jean-Claude Juncker: Wir waren als luxemburgische Regierung der Meinung, dass das Gesamtvolumen im Vorschlag der EU-Kommission ein adäquates Ausgabenniveau für alle europäischen Projekte und Programme darstellt. Der Vorschlag der Kommission ist von vielen Ländern jedoch zurückgewiesen worden. Ich gehe davon aus, dass Herman Van Rompuy die Gesamtausgaben aus seinem letzten Haushaltsvorschlag noch einmal um etwa 30 Milliarden kürzen wird. Dann ist für uns die absolute Schmerzensgrenze erreicht.

Tatjana Konieczny: Bedeutet dies, dass Sie Kürzungen um weitere 30 Milliarden Euro zustimmen würden?

Jean-Claude Juncker: Ich bin der Meinung, dass der Kommissionsvorschlag der richtige war und bin Realist genug zu wissen, dass es Kollegen gibt, denen sowohl der Kommissionsvorschlag als auch jener von Herman Van Rompuy deutlich zu hoch erscheinen. Man kann die europäische Zukunft jedoch nicht auf Mindesthaushaltsvolumina aufbauen. Die Geldmassen, die einem zur Verfügung stehen, müssen reichen, um die großen Vorhaben der EU auch verwirklichen zu können. Dies ist vor allem bei der Agrarpolitik wichtig. In diesem Bereich sind wir gegen jede weitere Kürzung, die über jene vom ersten Van Rompuy-Vorschlag hinausgeht. Wir sind nämlich der Meinung, dass die europäische Agrarpolitik eine essentielle Zukunftsdimension der EU darstellt.

Tatjana Konieczny: Inwiefern?

Jean-Claude Juncker: Es geht darum, die Ernährungssicherheit - das heißt, dass es in Europa genug zu essen gibt, ohne dass die Mitgliedstaaten massiv importieren müssen - in der EU sicherzustellen. Europa ist in Bezug auf die Ernährungssicherheit erst um 1964-65 selbständig geworden. Wer sich in diesem Bereich in Abhängigkeit begibt, verlässt einen wichtigen Pfad europäischer Zukunftsgestaltung. Was den Rest anbelangt, sind wir bis zu einem bestimmten Punkt kompromissbereit. Wir machen dies natürlich auch davon abhängig, wo weitere Sparmaßnahmen vorgesehen sind. Diese können nicht in Substanzbereichen wie Forschung, Innovation, Arbeitsmarkt, neue Technologien oder Agrarpolitik stattfinden.

Tatjana Konieczny: Welche Bereiche des EU-Haushals sind neben der Agrarpolitik noch besonders wichtig für Luxemburg?

Jean-Claude Juncker: Alle, darunter gehört, neben der Agrarpolitik, auch die Zusammenlegung von Forschungsanstrengungen. Wobei man wissen muss, dass der Agrarhaushalt ein exklusiv europäischer Haushalt ist, wogegen das Forschungsbudget eine Häufung von nationalen und europäischen Haushaltsanstrengungen ist.

Tatjana Konieczny: Wie beurteilen Sie die Haltung des EU-Parlaments, das bereits jetzt damit droht, eine Einigung unterhalb der Kommissionsvorschläge strikt abzulehnen?

Jean-Claude Juncker: Die Vertragsänderung durch den Lissabon-Vertrag sieht erstmalig in der Geschichte der EU vor, dass das Parlament den mehrjährigen Haushaltsansatz der Staats- und Regierungschefs bestätigen muss. Wir brauchen also die Zustimmung des EU-Parlaments. Ich weiß nicht, ob sich jeder Regierungschef bewusst ist, dass dies eine qualitative Veränderung der Debatte mit sich bringt. Denn wir verhandeln nicht nur unter Regierungschefs, sondern müssen auch die Haltung des Parlaments im Blick haben. Ich wäre froh, wenn die Regierungschefs Herman Van Rompuys Vorschlag bezüglich des Gesamtbetrages relativ schnell annehmen werden, damit wir in den kommenden Tagen so schnell wie möglich die interne Aufteilung dieses Gesamtumfangs regeln. können. Doch wir brauchen einen Verhandlungsspielraum mit dem Parlament und dessen müssen sich die Regierungschefs von Anfang bewusst sein.

Tatjana Konieczny: Wie sinnvoll ist es, auf Basis des Van-Rompuy-Vorschlags zu verhandeln, wenn das EU-Parlament bereits angekündigt hat, eine Einigung auf diesem Niveau zu blockieren?

Jean-Claude Juncker: Heute haben wir erst eine Sitzung mit Martin Schulz, dem Präsidenten des Europaparlaments, wo dieser uns die Zumutbarkeitsgrenzen der EU-Volksvertretung darlegen wird. Letzten Endes muss eine Verhandlung mit dem Parlament zur endgültigen Beschlussfassung des Gipfels stattfinden. Das Parlament ist ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner, dies haben die luxemburgischen Europaabgeordneten auch deutlich gemacht und ich bin durchaus bereit, die Haltung der EU-Volksvertretung in die Verhandlungen mit den Regierungschefs einzubeziehen.

Tatjana Konieczny: Wäre es Ihrer Meinung nach besser, keine Einigung als eine schlechte Einigung zu erzielen?

Jean-Claude Juncker: Eine gute Einigung wäre für uns der Vorschlag der EU-Kommission. Doch angesichts der weltweiten Nervosität in Bezug auf die europäische Entschlussfreudigkeit, würde ich es als unangemessen empfinden, wenn wir bei diesem Gipfel zu keinem Konsens kommen würden. Ich will keine schlechte Einigung, ich will eine Substanzeinigung!

Tatjana Konieczny: Über die Einnahmequellen des EU-Haushaltes wird heftig debattiert: Wäre es jetzt an der Zeit, eine europäische Einnahmequelle in Kraft zu setzen?

Jean-Claude Juncker: Es ist seit Jahren die Position der luxemburgischen Regierung, dass es in Bezug auf den europäischen Haushalt eigenständige Einnahmen der EU geben muss. Ich sehe in der Verhandlungsmasse jedoch wenig Elemente, die uns in diese Richtung bringen. Deshalb fordere ich wenigstens ein Planungsprogramm darüber, wie wir europäische Einnahmen für die übernächste Finanzperiode sicherstellen können.

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