Jean-Claude Juncker au sujet de son mandat à la tête de l'Eurogroupe

Tom Weingärtner: Herr Ministerpräsident Juncker, träumen Sie, in der Nacht meine ich?

Jean-Claude Juncker: Also ich bin auch Tagträumer, versuche das aber zeitmässig nicht überwuchern zu lassen. Wenn ich sage ich bin Tagträumer, dann wollte ich eigentlich, um das mal positiv zu fassen, zum Ausdruck bringen, dass ich über den Tag hinaus sinniere. Ich hab aber keine Angstzustände, Alpträume hat es nie gegeben.

Tom Weingärtner: Sie haben ja jetzt 5 Jahre Krisenmanagement hinter sich, haben Sie keine Lust mehr?

Jean-Claude Juncker: Nein.

Tom Weingärtner: Warum nicht?

Jean-Claude Juncker: Weil ich müde geworden bin, weil ich diese Doppelbelastung Premierminister in Luxemburg – auch wenn Luxemburg nur ein kleines Land ist, obwohl Großherzogtum – und den Vorsitz der Eurogruppe einfach zeitlich nicht mehr auf eine Schiene bringe und deshalb ist es gut, wenn jetzt frisches Blut durch die Euroadern fließt.

Tom Weingärtner: Was würden Sie sagen ist Ihnen als Chef der Eurogruppe am besten gelungen?

Jean-Claude Juncker: Also darüber könnte ich jetzt ausschöpfend Auskunft geben. Ich möchte das aber nicht tun, weil ich mich in Fragen der Bilanzierung nicht auskenne und mich auch noch nicht in diesen Interpretationsraum jetzt hineinbewegt habe. Das wird später passieren, wenn ich ruhiger geworden bin. Aber ich glaube was wir in den letzten Jahren, vor allem in den letzten Monaten hingekriegt haben, ist schon erstaunlich auf Grund der Entscheidungsdichte zu der wir uns selbst führen konnten, weil wir uns auch dahin führen mussten. Wir haben mehrere Programme für Griechenland auf den Weg gebracht. Vor einem Jahr war Grexit das überall zu hörende Feldgeschrei. Davon redet heute keiner mehr, weil wir die Lage in Griechenland doch sehr stabilisieren konnten. Stabilität ist kein obszönes Schimpfwort mehr, sondern eine Politikrichtung zu der alle Euroregierungen sich bekennen. Wir haben die europäische Bankenüberwachung auf die Umlaufbahn schießen können und damit deutlich gemacht, dass Bankenüberwachung nicht nur ein nationales Problem ist, sondern nach erhöhter europäischer Zuständigkeit fragt.

Tom Weingärtner: Worüber haben Sie sich denn vielleicht am meisten geärgert in den letzten 8 Jahren oder vielleicht auch über wen?

Jean-Claude Juncker: Ich hab mich darüber geärgert, weil ich darüber auch sehr erbost war, dass man manchmal aus, ja, innenpolitischen Beweggründen andere Länder anders beschreibt als man sie kennt. Wenn man sich um Wissen diese Länder betreffend bemüht hat - über Griechenland waren auch im deutschsprachigen Raum Zwischenzungenschläge manchmal zu hören, die der eigentlichen Befindlichkeit der Griechen nicht gerecht wurden - man muss ja sehen, dass wir, dass in Griechenland nun wirklich eine Austeritätspolitik zur Anwendung gebracht werden musste, die vor allem die Einkommensschwachen, die Ärmeren in Griechenland, davon gibt es viele, sehr stark in Bedrängnis gebracht hat. Nun kann ich hundertmal sagen das ist deren eigene Schuld, ich kann tausendmal sagen, die haben ihre Regierungen die versagt haben selbst gewählt, aber dass viele schmalbrüstige Griechen jetzt die Anpassungslast in sehr erheblichem Masse tragen, ist etwas was mich auch traurig macht, wenn wir hier nicht im Rundfunk wären würde ich sagen, die armen Schweine.

Tom Weingärtner: Hätte man denen das denn nicht ersparen können, wenn man vielleicht früher drauf hingewiesen hätte, dass da in Griechenland so manches schiefläuft?

Jean-Claude Juncker: Der Eurogruppenvorsitzende muss auch schweigen können, wenn schweigen angesagt ist. Oder habe ich das noch nicht gesagt, ich hoffe ich habe das schon gesagt.

Tom Weingärtner: Nein das haben sein noch nicht gesagt.

Jean-Claude Juncker: Ich sage jetzt, der Eurogruppenvorsitzende muss auch schweigen können. Sehen Sie die Sache ist so, ich mag den Eindruck nicht, der geschürt wird, also ob wir nicht hätten kommen sehen was gekommen ist. Hatten wir nämlich. Die Eurogruppe ist eine informelle Gruppe und wir haben den griechischen Kollegen, den wechselnden griechischen Kollegen, ich hab glaube ich 6 oder 7 griechische Finanzminister während meiner Amtszeit kennengelernt, immer wieder bedeutet, dass sich Griechenland auf einem total falschen Kurs befindet. Das haben wir den Spaniern auch gesagt, das haben wir den Iren auch gesagt, das haben wir den Portugiesen gesagt. Weil wir aber eine informelle Gruppe sind, kann man nicht über Gesprächsteile berichten die sich im Prozess des Zusammenwachsens befinden, bevor man nicht ein integrales Bild nach außen hin vermitteln kann über die Lage und auch über die Instrumente die man zur Anwendung zu bringen gedenkt, die dies Lage beheben können. Wenn ich vor 4 5 Jahren gesagt habe, Griechenland ist auf falschem Weg und nicht gleichzeitig gesagt habe was wir denn jetzt tun um die Griechen von diesem Weg abzubringen, ja dann hätte dies an den Finanzmärkten zu erheblichen Verwerfungen geführt, die das griechische Volk in seiner Tiefe so erreicht hätte, dass spätere Konsolidierungsbemühungen eigentlich nicht mehr möglich gewesen wären. Ich hab darunter gelitten. Ich darf das ja heute sagen, dass ich nie alles sagen durfte, weil das Sagen aller Wahrheiten zum falschen Moment zu Bewegungen an den Finanzmärkten geführt hätte, die sehr zum Nachteil der einkommensschwachen Teile der europäischen Bevölkerung gewesen wäre.

Tom Weingärtner: Was hätten Sie denn tun können? Oder was hätte man denn früher tun können?

Jean-Claude Juncker: Ja wir hätten früher griechische Kollegen und alle davon überzeugen müssen, dass wenn sie jetzt sich nicht in die Spur zurückbewegen, dass wir dies dann öffentlich machen würden. Wir hätten ihnen intern androhen müssen, dass uns die Folgen der Bekanntmachung der festgestellten Irrwege uns eigentlich egal wären, weil diese Folgen nur sie betroffen hätten und nicht uns. Wir haben nicht zugeschaut. Wir haben intensiv eingeredet auf griechische und andere Kollegen. Wir konnten das nicht, weil wir nur eine informelle Gruppe sind, aber nach außen hin ohne deren Einverständnis kundtun.

Tom Weingärtner: Es gibt ja ein Zitat von Ihnen, dass man nicht immer die Wahrheit sagen darf [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Sie zitieren mich freundlichst.

Tom Weingärtner: Ja ich bin ja auch ein freundlicher Mensch. Fällt es Ihnen eigentlich leicht das Publikum zu belügen?

Jean-Claude Juncker: Nein, so ist das nicht. Also das hängt mir ja in den Kleidern dieser Satz: wenn es ernst wird, dann muss man lügen. So wollten Sie sich ja eigentlich verstanden wissen. Jetzt muss ich mich überall wo ich hinkomme, auch als Lügner oder quasi Lügner beschimpfen lassen. Und die Beschreibung war eigentlich folgende: ich habe erklärt, wie in den 1990er Jahren, als die Finanzminister alle paar Wochen nach Brüssel einbestellt wurden um Auf- und Abwertungen vorzunehmen, alle Finanzminister, Freitag nachmittags, wenn sie gefragt wurden, findet am Sonntag eine Sitzung der europäischen Währungssystems statt, sagen mussten, nein es findet keine statt. So lange die Finanzmärkte nicht geschlossen sind, kann man nichts sagen. Deshalb haben alle gelogen, weil es erhebliche Konsequenzen an den Finanzmärkten gehabt hätte und das habe ich erklärt und hab gesagt, wenn es ernst wird, muss man lügen. Ich hab das nicht im Bezug auf das gemeint was jetzt in Europa Sache ist, sondern auf das gemünzt was in Europa Sache war. Und ich muss mich jetzt auch in angenehmen Interviews gegen den Eindruck wehren, als ob ich nichts anderes im Sinn gehabt hätte als die Europäer systematisch zu belügen. Ich hab nicht immer die volle Wahrheit gesagt, wenn ich wusste, dass die Mitteilung in dem Moment der vollen Wahrheit Schaden mit sich bringen würde. Nicht die Kapitalisten, weil die leiden nicht unter meiner Wahrheit, sondern für die einfachen Menschen in Europa.

Tom Weingärtner: Es gibt ja noch eine andere Sache die Ihnen sozusagen [wird unterbrochen]

Jean-Claude Juncker: Haben Sie noch ein schönes Zitat von mir [wird unterbrochen]

Tom Weingärtner: Das ist kein Zitat, aber eine Tatsache. Sie sind ja maßgeblich beteiligt gewesen an der Aufweichung des Stabilitätspaktes. Bedauern Sie das eigentlich heute?

Jean-Claude Juncker: Nein ich widerspreche dem Ausdruck, dem Eindruck als ob wir den Stabilitätspakt aufgeweicht hätten. Es geht um die Reform desselben im Jahre 2005. Diese Reform wurde unter meinem Vorsitz herbeigeführt und diese Reform besteht in keinerleiweise in einer Aufweichung des Stabilitätspaktes. Weil wir haben dem Stabilitätspakt damals eine volkswirtschaftliche Lesart hinzugegeben, dass wenn ein Land sich in einer rezessiven Phase befindet, man die strikten Haushaltskriterien weniger eng fassen kann. Hätten wir dies nicht getan, wären alle Länder eigentlich, bis nah an den Rand der Sanktionierbarkeit finanzieller Natur gekommen. Es gab nur ein Land das von Anfang an bis jetzt den Stabilitätspakt immer respektiert hat, das ist Luxemburg gewesen. Auch Deutschland musste also zugeben, dass es vorübergehend den Stabilitätspakt, so wie er ursprünglich angedacht war, nicht hat respektieren können.

Tom Weingärtner: Sie haben ja jetzt demnächst mehr Zeit. Wollen Sie sich dann mehr um Luxemburg kümmern oder gibt es in der EU andere Aufgaben die Sie reizen oder auch vielleicht sogar auf globaler Ebene?

Jean-Claude Juncker: Nein, ich bin jetzt ununterbrochen 30 Jahre lang Mitglied der luxemburgischen Regierung und davon 18 Jahre oder in etwa 18 Jahre Premierminister. Wenn ich mich ohne Selbstmitleid beobachte, dann sage ich, ich hab ja unter Beweis gestellt, dass ich da einiges in Bewegung bringen kann. Wieso sollte es mich jetzt nach neuen Horizonten gelüsten? Ich kümmere mich um die Belange meines Landes, das habe ich auch während der Zeit gemacht in der ich Eurogruppenvorsitzender war. Ich werde wieder mehr Visibilität in Luxemburg erlangen, weil ich mich öfters auch öffentlich in Luxemburg selbst äußern kann. Nein es zieht mich nicht nach andern Ämtern als nach dem das ich jetzt habe. Also auf die Zuschauertribüne werde ich mich nicht zurückziehen, sondern bleibe Akteur auf dem Feld. Und ich hab jetzt etwas in Erwartung stehen, das ich mir lange ersehnt habe, ich kann jetzt wiederum sagen was ich will. Und so lange ich Eurogruppenvorsitzender war musste ich trotzdem immer ein bisschen darauf aufpassen welche Wirkung die Sätze die ich sagen könnte auf den Finanzmärkten und sonstwo haben könnten. Diese Selbstverpflichtung zur vorsichtigen Äußerung, die entfällt in Zukunft und ich werde mich in die Debatten einmischen, aber ich werde dies in den ersten Monaten nach meinem Abtritt als Eurogruppenchef nicht intensiv betreiben. Aber gehen Sie mal davon aus, dass Sie noch von mir hören werden.

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